„Sei ein Mensch!“ ist Satz des Jahres 2024
Eine Jury bestehend aus dem Kommunikationspsychologen Prof. Dr. Friedemann Schulz von Thun, der Kabarettistin Turid Müller und dem Strategieberater Milon Gupta hat am 6. Januar den Satz des Jahres 2024 bekannt gegeben. Gewonnen hat mit „Sei ein Mensch!“ ein Satz, den Sportjournalist Marcel Reif in seiner Rede am 31. Januar bei der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag sagte. Dieser Satz geht auf Marcel Reifs Vater Leon Reif zurück, der dem Holocaust nur knapp entkommen war. In seiner Rede hatte sich Marcel Reif daran erinnert, wie sein Vater ihm immer wieder den jiddischen Satz „Sej a Mensch!“ gesagt hatte – „mal als Mahnung, mal als Warnung, als Ratschlag oder auch als Tadel“, so Reif. Der Satz bilde die zentrale Botschaft in seiner sehr persönlichen Rede über Deutschlands „zweite Chance“, es „besser zu machen“.
Nach Ansicht der Jury sei der ausgewählte Satz eine ebenso schlichte wie eindringliche Mahnung zu mehr Menschlichkeit. Angesichts von aggressiver Intoleranz und Rechtsextremismus, die 2024 in Öffentlichkeit und Politik massiv zum Ausdruck gekommen seien, sei der Satz von hoher Aktualität. In den Bewertungskategorien „Relevanz“, „Wirkung“ und „Prägnanz“ stufte die Jury den Satz daher unter allen Vorschlägen am höchsten ein.
Der Satz fand ein großes Medienecho und inspirierte die Gründung der Initiative „Sei ein Mensch“ unter Schirmherrschaft von Marcel Reif. Die Initiative engagiert sich für gesellschaftlichen Zusammenhalt und fördert den Kampf gegen Hassrede im Internet. Darüber hinaus erhielt Marcel Reif im September 2024 den Deutschen Rednerpreis der German Speakers Association, wobei der Satz in der Jury-Begründung ausdrücklich erwähnt wurde.
Weitere Platzierungen
„Freiheit ist nicht nur: Ich fühle mich glücklich, sondern: Ich bin verantwortlich – und das überfordert viele Menschen.“
Ex-Bundespräsident Joachim Gauck am 22. September in der ARD-Talksendung „Caren Miosga“ zu den Ursachen der AfD-Wahlerfolge in Ostdeutschland.
„Es ist eine Katastrophe, wie die AfD die Demokratie am Nasenring durch die Manege treibt.“
Die Thüringer BSW-Vorsitzende Katja Wolf am 26. September zum umstrittenen Verhalten des Alterspräsident Jürgen Treutler von der AfD bei der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags in Erfurt.
„Diese Entscheidung war richtig, und sie war unvermeidlich.“
Bundeskanzler Olaf Scholz am 13. November im Bundestag zur Verteidigung seiner Entscheidung, die Ampel-Koalition durch die Entlassung der FDP-Minister aufzulösen.
Insgesamt waren 31 Vorschläge bei der Jury eingegangen. Das Hauptkriterium für die ausgewählten Sätze war, dass sie wichtige gesellschaftliche Trends im Deutschland des Jahres 2024 auf den Punkt bringen.
Hintergrund der Aktion
Der Satz des Jahres wurde in diesem Jahr zum 16. Mal bekannt gegeben. Die Aktion, die es seit 2009 gibt und die von Milon Gupta ins Leben gerufen wurde, ist privat organisiert und verfolgt keine kommerziellen oder parteipolitischen Absichten. Ihr Ziel ist es, die Menschen in Deutschland für den öffentlichen Gebrauch von Sprache zu sensibilisieren und prägnante Aussagen, die repräsentativ für ein Jahr sind, vor dem Vergessen zu bewahren.
Sätze der vergangenen Jahre
- 2023: „Nie wieder ist jetzt!“ – In zahlreichen Kampagnen und Demonstrationen verwendeter Appell gegen Antisemitismus und Israelhass
- 2022: „Wir erleben eine Zeitenwende.“ – Bundeskanzler Olaf Scholz
- 2021: „Besiegen wir das Virus nicht weltweit, kommt es mit dem nächsten Flieger zurück.“ – Bundesentwicklungsminister Gerd Müller
- 2020: „Hass ist keine Meinung.“ – Heinrich Bedford-Strohm, EKD-Ratsvorsitzender
- 2019: „Bitte hört auf die Wissenschaft!“ – Klimaaktivistin Luisa Neubauer
- 2018: „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist.“ – Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
- 2017: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ – FDP-Vorsitzender Christian Lindner
- 2016: „Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung.“ – Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU)
- 2015: „Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das!“ – Bundeskanzlerin Angela Merkel
- 2014: „Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen.“ – CSU-Leitantragsentwurf zu „Bildung – Migration – Integration“
- 2013: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ – Bundeskanzlerin Angela Merkel
- 2012: „Mir fehlte das Fingerspitzengefühl.“ – SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück
- 2011: „Fukushima hat meine Haltung zur Kernenergie verändert.“ – Bundeskanzlerin Angela Merkel
- 2010: „Die Zeit der Basta-Politik ist vorbei.“ – Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler
- 2009: „Das steht mir zu.“ – Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt zur Dienstwagenaffäre