„Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist.“ ist Satz des Jahres 2018
Eine Jury bestehend aus dem Hohenheimer Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider und dem Satz-des-Jahres-Organisator Milon Gupta hat am 8. Januar den Satz des Jahres 2018 bekannt gegeben. Gewonnen hat mit „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist.“ Horst Seehofer (CSU).
Bundesinnenminister Seehofer hatte diesen Satz in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ geäußert, das am 2. Juli 2018 veröffentlicht wurde. Das Interview mit dem viel zitierten Satz war unmittelbar vor einem Krisentreffen zwischen Spitzenpolitikern von CDU und CSU erschienen, das den Konflikt über die Asylpolitik zwischen den Schwesterparteien beenden sollte.
Nach Ansicht der Jury bringe der Satz eine zentrale politische Debatte des Jahres 2018 auf den Punkt, nämlich den von der CSU entfachten Asylstreit in der Großen Koalition. Zudem bringe er Seehofers persönliche Differenzen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Ausdruck. Anders als der Satz vermuten lässt, hatte nicht Merkel Seehofers Entlassung ins Spiel gebracht, sondern er selbst seinen Rücktritt. Seehofer hatte nach einer CSU-Sitzung in der Nacht zum 2. Juli seinen Rücktritt angeboten, sein Angebot aber kurz darauf wieder zurückgenommen.
Neben der inhaltlichen Relevanz sei für die Auswahl des Satzes auch seine erhebliche Wirkung ausschlaggebend gewesen. Er habe ein gewaltiges Echo in den Medien und eine öffentliche Debatte über das lähmende Chaos in der Bundesregierung verursacht.
Weitere Platzierungen
(in chronologischer Reihenfolge)
„Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“
Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland am 2. Juni 2018 beim Bundeskongress der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative im thüringischen Seebach.
Begründung: Mit diesem Satz verharmloste der AfD-Vorsitzende die Nazi-Diktatur in extremer Weise. Er setzt die Reihe von AfD-Zitaten fort, die die NS-Zeit relativieren. Der Satz liefert ein weiteres Beispiel für das typische Kommunikationsmuster der AfD: Aufreger produzieren, öffentliche Aufmerksamkeit erhalten – und hinterher behaupten, man sei völlig falsch verstanden worden.
„Hase, Du bleibst hier!“
Stimme einer unbekannten Frau in einer privaten Videoaufnahme vom 27. August 2018, die ihren Partner mit ihrem Appell davon abhält, einen flüchtenden Menschen im Rahmen von ausländerfeindlichen Übergriffen in Chemnitz zu verfolgen.
Begründung: Die ausländerfeindlichen Übergriffe von Chemnitz bildeten den sichtbaren Höhepunkt der Fremdenfeindlichkeit in einem Jahr, das von Auseinandersetzungen um Migration geprägt war. Der Ausruf macht zudem die Diskrepanz deutlich zwischen männlicher Gewaltbereitschaft in der rechten Szene und dem Befehl einer Frau an ihren „Hasen“.
„Diese vierte Amtszeit ist meine letzte als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 29. Oktober 2018 in der CDU-Parteizentrale in Berlin.
Begründung: Die Ankündigung von Angela Merkel, den CDU-Parteivorsitz abzugeben und keine weitere Amtszeit als Kanzlerin anzustreben, war die mit Abstand wichtigste politische Personalie des Jahres und stellt eine politische Zäsur für die Bundesrepublik dar.
Insgesamt waren 22 Vorschläge bei der Jury eingegangen. Das Hauptkriterium für die ausgewählten Sätze war, dass sie wichtige gesellschaftliche Trends im Deutschland des Jahres 2018 auf den Punkt bringen.
Hintergrund der Aktion
Der Satz des Jahres wurde in diesem Jahr zum zehnten Mal bekannt gegeben. Die Aktion, die es seit 2009 gibt und die von Milon Gupta ins Leben gerufen wurde, ist privat organisiert und verfolgt keine kommerziellen oder parteipolitischen Absichten. Ihr Ziel ist es, die Menschen in Deutschland für den öffentlichen Gebrauch von Sprache zu sensibilisieren und prägnante Aussagen, die repräsentativ für ein Jahr sind, vor dem Vergessen zu bewahren.
Sätze der vergangenen Jahre
- 2017: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ – FDP-Vorsitzender Christian Lindner
- 2016: „Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung.“ – Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU)
- 2015: „Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das!“ – Bundeskanzlerin Angela Merkel
- 2014: „Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen.“ – CSU-Leitantragsentwurf zu „Bildung – Migration – Integration“
- 2013: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ – Bundeskanzlerin Angela Merkel
- 2012: „Mir fehlte das Fingerspitzengefühl.“ – SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück
- 2011: „Fukushima hat meine Haltung zur Kernenergie verändert.“ – Bundeskanzlerin Angela Merkel
- 2010: „Die Zeit der Basta-Politik ist vorbei.“ – Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler
- 2009: „Das steht mir zu.“ – Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt zur Dienstwagenaffäre