Anglizismus des Jahres 2020 gewählt

Anglizismus des Jahres 2020 gewählt

Anglizismus des Jahres 2020 gewählt: Lockdown

„Lockdown“ ist Anglizismus des Jahres 2020

Die Jury um Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität Berlin hat am 2. Februar den Anglizismus des Jahres 2020 bekannt gegeben. Gewonnen hat das Wort „Lockdown“, das Publikumsliebling war und sich gegen die gleich fünf Zweitplatzierten „Social Distancing“, „Superspreader“, „Homeoffice“, „Homeschooling“ und „Shutdown“ durchsetzen konnte.

Das Wort „Lockdown“ bezeichnet im Deutschen eine Mischung aus mehr oder weniger strengen Ausgangsbeschränkungen, Einschränkungen der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit und Kontaktbeschränkungen bei gleichzeitigem Schließen ausgewählter öffentlicher Einrichtungen. Nachdem zu Beginn der Pandemie zunächst Umschreibungen wie „Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie“ oder „Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus“ verwendet wurden, verbreitete sich ab der zweiten März-Hälfte schnell das Wort „Lockdown“. Ein weiterer starker Häufigkeitsanstieg findet sich ab Oktober: Spätestens seit diesem Zeitpunkt war es fester Bestandteil des deutschen Sprachgebrauchs.
Im Englischen findet sich das Wort ab den frühen 1970er-Jahren zunächst für Situationen, in denen die Insassen eines Gefängnisses ihre Zellen für einen längeren Zeitraum nicht verlassen durften, etwa nach einem Aufstand. Ab den 1980er-Jahren bezeichnete es außerdem Situationen, in denen ein ganzes Gebiet aus Sicherheitsgründen abgeriegelt und die Bewegungsfreiheit innerhalb des Gebietes eingeschränkt wurde. In dieser Bedeutung kam es gelegentlich auch im Deutschen vor, z. B. in Berichten über Amokläufe an US-amerikanischen Schulen. Im Zuge der COVID-19-Pandemie erweiterte sich die Bedeutung auf die oben genannte Mischung aus Maßnahmen und wurde in dieser Bedeutung ins Deutsche entlehnt.

Die Jury begründet ihre Entscheidung außerdem damit, dass das Siegerwort in der Diskussion um die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie eine zentrale Rolle gespielt habe und sich schnell in den Wortschatz des Deutschen integrieren konnte. Außerdem überzeugte es durch sein für Lehnwörter typisches Eigenleben, das es im Deutschen entwickelt habe. Schon kurz nach der Entlehnung sei es in zusammengesetzten Wörtern wie „Lockdown-Regeln“, „Lockdown-Lockerungen“, „Lockdown-Verstöße“ und „Lockdown-Gegner“ aufgetaucht. Später seien auch Wörter wie „Lockdown-Frisur“, „Lockdown-Kilos“ und „Lockdown-Blues“ hinzugekommen, die Auswirkungen der Maßnahmen beschreiben. Außerdem hätten sich schon im April Adjektive wie „lockdownbedingt“ und „lockdownähnlich“ gefunden, zu denen sich im Mai das Verb „lockdownen“ (mit dem Partizip „gelockdownt“) gesellt habe. Interessant sei laut Jury auch, dass anfänglich darüber diskutiert wurde, ob die in Deutschland ergriffenen Maßnahmen umfassend genug seien, um sie mit diesem Wort zu bezeichnen. Im Zuge dieser Diskussion hätten sich abstufende Ausdrücke wie „harter Lockdown“, „weicher Lockdown“, „Teillockdown“ und „Lockdown light“ etabliert.

Fünf zweite Plätze

Der Wortschatz des Deutschen habe sich im Zuge der COVID-19-Pandemie mit einer nur selten zu beobachtenden Geschwindigkeit erweitert und verändert. Dabei hätten auch englische Lehnwörter eine wichtige Rolle gespielt, erklärte die Jury. Um den Umfang der Veränderungen hervorzuheben, habe man sich daher in diesem Jahr dafür entschieden, fünf Wörter gleichberechtigt auf den zweiten Platz zu setzen:

  • „Social Distancing“ – Fachbegriff aus der Pandemie-Bekämpfung; da sich Anfang des Jahres eine Diskussion darum entfaltet hatte, ob eine Einschränkung physischer Kontakte im Kommunikationszeitalter eigentlich noch eine Einschränkung von Sozialkontakten bedeuten müsse, hatte sich das Wort allerdings nicht lange gehalten und war schnell durch das weniger zu Diskussionen anregende „Kontaktbeschränkungen“ ersetzt worden
  • „Superspreader“ – bezeichnet eine infizierte Person, die den Krankheitserreger an eine große Zahl von Personen weitergibt; das Wort findet sich sowohl in trockenen wissenschaftlichen Erklärungen der Entstehung von Pandemien als auch – mit moralischem Unterton – bei der Suche nach Schuldigen („Sind junge Leute rücksichtslose Superspreader?“, „die enthemmte, zügellose Welt der Superspreader von Ischgl“ usw.)
  • „Homeoffice“ – englische Bezeichnung für ein häusliches Arbeitszimmer; wurde 2020 im Deutschen als Teil der neu entstandenen Redewendung „Homeoffice machen“ zu einem Synonym für ein lockdownbedingtes Arbeiten zu Hause (und dort, mangels Arbeitszimmers, eher in der Küche, dem Wohn- oder gar Schlafzimmer)
  • „Homeschooling“ – eigentlich eine Bezeichnung für eine in Deutschland randständige Praxis, bei der Eltern ihre Kinder zu Hause unterrichten, um sie aus dem staatlichen Schulsystem herauszuhalten; wurde schnell ein Sammelbegriff für mehr oder weniger strukturierte Schulersatzaktivitäten, die vom Unterricht per Videokonferenz bis zum von verzweifelten Eltern beaufsichtigten Abarbeiten von Arbeitsblättern reichten
  • „Shutdown“ – galt als aussichtsreicher Partner des Wortes „Lockdown“, das die Aufmerksamkeit eher auf das Herunterfahren des öffentlichen Lebens als auf Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gerichtet hätte, konnte sich aber mit seinem potenziellen Beitrag zu einer Bedeutungsdifferenzierung im allgemeinen Sprachgebrauch (bisher) nicht durchsetzen

Hintergrund der Aktion

Die unabhängige Initiative „Anglizismus des Jahres“ gibt es seit 2010. Gegründet wurde sie von dem Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität Berlin, der auch Juryvorsitzender ist. Unterstützt wird er seit 2010 von der Anglistin Dr. Susanne Flach (Universität Zürich) und der Germanistin Dr. Kristin Kopf (IDS Mannheim/Universität Münster). Lexikografisch wird die Wörterwahl durch PD Dr. Alexander Geyken und Dr. Lothar Lemnitzer von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften begleitet, die am Zentrum für digitale Lexikografie der deutschen Sprache (ZDL) am Aufbau eines frei zugänglichen digitalen Informationssystems zum deutschen Wortschatz in Geschichte und Gegenwart arbeiten. Vervollständigt wird die Jury durch Dr. Marc Kupietz, Leiter des Bereichs Korpuslinguistik am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim, der zuverlässige Häufigkeitsdaten zu den Wortkandidaten bereitstellt. Die Aktion würdigt jährlich den positiven Beitrag des Englischen zur Entwicklung des deutschen Wortschatzes und will zum besseren Verständnis von Lehnwörtern beitragen.

Anglizismen der vergangenen Jahre

  • 2019: … for future
  • 2018: Gendersternchen
  • 2017: Influencer
  • 2016: Fake News
  • 2015: Refugees Welcome
  • 2014: Blackfacing
  • 2013: die Nachsilbe ‑gate
  • 2012: Crowdfunding
  • 2011: Shitstorm
  • 2010: leaken

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