„Pushback“ ist Unwort des Jahres 2021
Die Philipps-Universität Marburg hat am 12. Januar das Unwort des Jahres 2021 bekannt gegeben. Sieger der sprachkritischen Aktion ist Pushback.
Der Ausdruck Pushback stammt aus dem Englischen und bedeutet zurückdrängen, zurückschieben. Im Migrationsdiskurs bezeichne das Wort die Praxis von Europas Grenztruppen, Flüchtende an der Grenze zurückzuweisen und am Grenzübertritt zu hindern. Ganz unterschiedliche Politiker, Journalisten und Organisationen verwendeten im Jahr 2021 den Ausdruck in Debatten zur Einwanderung über die europäischen Außengrenzen.
Die Jury kritisiert die Verwendung des Ausdrucks, weil mit ihm ein menschenfeindlicher Prozess beschönigt werde, der den Menschen auf der Flucht die Möglichkeit nehme, das Menschen- und Grundrecht auf Asyl wahrzunehmen. Den Flüchtenden werde somit ein faires Asylverfahren vorenthalten. Der Einsatz des Fremdwortes trage zur Verschleierung des Verstoßes gegen die Menschenrechte und das Grundrecht auf Asyl bei. Mit dem Gebrauch des Ausdrucks würden zudem die Gewalt und Folgen wie Tod, die mit dem Akt des Zurückdrängens von Migranten verbunden sein können, verschwiegen. Die Jury kritisiert die in den Medien unreflektierte Nutzung dieses Wortes auch bei Kritikern der Maßnahmen.
Weitere Platzierungen
Sprachpolizei
Mit dem Ausdruck Sprachpolizei würden Personen diffamiert, die sich u. a. für einen angemessenen, gerechteren und nicht-diskriminierenden Sprachgebrauch einsetzen, der bisher benachteiligte und ausgegrenzte Gruppen sprachlich einschließe. Die Jury bewertet ihn als irreführend, weil er suggeriere, dass es eine exekutive Instanz gäbe, die über die Einhaltung von Sprachregeln „wache“ und bei „Nichteinhaltung“ Bestrafungen vorsehe oder durchsetze.
Vergleiche mit dem Nationalsozialismus
Unter den Einreichungen fanden sich zudem eine Vielzahl an Ausdrücken, die im Zuge der Corona-Demonstrationen von Impfgegnern verwendet würden und völlig unzulässig eine Ähnlichkeit zwischen Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie und der nationalsozialistischen Diktatur nahelegten wie zum Beispiel: Impfnazi, Ermächtigungsgesetz (für Infektionsschutzgesetz) oder der gelbe Stern mit dem Aufdruck ungeimpft. Die deplatzierte Verwendung solcher Ausdrücke führe zur Verharmlosung des Nationalsozialismus, zur Verhöhnung der Opfer der nationalsozialistischen Diktatur und in manchen Fällen zu einer Opfer-Täter-Umkehr.
Wiederbelebung des persönlichen Unworts
In diesem Jahr greift die Jury wieder auf die 2013 eingeführte Kategorie des persönlichen Unworts des Gastjurors zurück, um Ausdrücke, die den jährlich wechselnden Gastjuroren am Herzen liegen, zu würdigen.
Das persönliche Unwort des diesjährigen Gastes Harald Schumann (Journalist):
Militärschlag: Das Wort sei eine zutiefst euphemistische Bezeichnung für einen aggressiven kriegerischen Akt. Schon seit Jahrzehnten bedienen sich Politiker und unkritische Medien dieses Ausdrucks und verschleiern damit, worum es eigentlich geht: Bombenangriffe und Artillerie- oder Raketenbeschuss auf Ziele, bei denen die Aggressoren skrupellos den Tod unschuldiger und zumeist auch unbewaffneter Opfer in Kauf nehmen. Wenn eine Regierung ihre Bomber, Drohnen, Panzer und Raketen für Angriffe auf andere Völker oder auch Widerstandsgruppen im eigenen Land einsetze, dann handele es sich um Krieg, nicht bloß um ein paar Schläge.
Hintergrund der Aktion
Das Unwort des Jahres wurde in diesem Jahr zum 31. Mal bekannt gegeben. Die Aktion, die es seit 1991 gibt, ist institutionell unabhängig. Bis 1994 wurde sie von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) durchgeführt. Die Jury erhielt diesmal insgesamt 1308 Einsendungen mit 454 verschiedenen Ausdrücken, von denen knapp 45 den Unwort-Kriterien der Jury entsprachen.
Zu den häufigsten Einsendungen (10 und mehr), die aber nicht zwingend den Kriterien der Jury entsprachen, zählten: boostern (22), Covidiot (20), Eigenverantwortung (14), Gendersternchen (16), illegaler Kindergeburtstag (71), Impfangebot (13), Impfdrängler (11), Impfverweigerer (11), Pandemie der Ungeimpften (16), Querdenker (47), systemrelevant (24), Tyrannei der Ungeimpften (287), Ungeimpft(e) (21) und Verweilverbotszone (30).
Zur Jury gehören: die vier Sprachwissenschaftler Dr. Kristin Kuck (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg), Prof. Dr. Martin Reisigl (Universität Wien), Dr. David Römer (Universität Trier), Prof. Dr. Constanze Spieß / Philipps-Universität Marburg (Sprecherin) sowie der freien Journalistin Katharina Kütemeyer. Als jährlich wechselndes Mitglied war in diesem Jahr der Journalist Harald Schumann beteiligt.
Unwörter der vergangenen Jahre
- 2020: Rückführungspatenschaften | Corona-Diktatur*
- 2019: Klimahysterie
- 2018: Anti-Abschiebe-Industrie
- 2017: alternative Fakten
- 2016: Volksverräter
- 2015: Gutmensch
- 2014: Lügenpresse
- 2013: Sozialtourismus
- 2012: Opfer-Abo
- 2011: Döner-Morde
- 2010: alternativlos
- 2009: betriebsratsverseucht
- 2008: notleidende Banken
- 2007: Herdprämie
- 2006: freiwillige Ausreise
- 2005: Entlassungsproduktivität
- 2004: Humankapital
- 2003: Tätervolk
- 2002: Ich-AG
- 2001: Gotteskrieger
- 2000: national befreite Zone
- 1999: Kollateralschaden
- 1998: sozialverträgliches Frühableben
- 1997: Wohlstandsmüll
- 1996: Rentnerschwemme
- 1995: Diätenanpassung
- 1994: Peanuts
- 1993: Überfremdung
- 1992: ethnische Säuberung
- 1991: ausländerfrei
* Für das Jahr 2020 entschied sich die Jury zum ersten und bislang einzigen Mal für zwei Unwörter (Anmerkung Auf Punkt und Komma).