„Zeitenwende“ ist Wort des Jahres 2022
Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden hat am 9. Dezember das Wort des Jahres 2022 bekannt gegeben. Sieger des sprachlichen Jahresrückblicks ist „Zeitenwende“. Das keineswegs neue Wort, das speziell für den Beginn der christlichen Zeitrechnung, in allgemeinerer Bedeutung auch für jeden beliebigen Übergang in eine neue Ära stehe, wurde in diesem zweiten Sinne prominent von Bundeskanzler Scholz verwendet. Der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 markiere eine „Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinentes“. Bundespräsident Steinmeier sprach im gleichen Zusammenhang von einem „Epochenbruch“. Die deutsche Wirtschafts- und Energiepolitik musste sich völlig neu ausrichten. Verhältnisse zu anderen internationalen Partnern wie China wurden gleichfalls kritisch beleuchtet. Bei vielen Menschen fand auch eine emotionale Wende statt. Angst und Sorge vor einem Atomkrieg in Europa oder sogar vor einem dritten Weltkrieg seien vielfach zu spüren gewesen.
Auf den zweiten Platz wählte die Jury „Krieg um Frieden“. Dieser widersinnig anmutende Ausdruck bezieht sich ebenfalls auf den Russland-Ukraine-Krieg. Für die Moskauer Propaganda handele es sich um eine militärische Spezialoperation, für viele – insbesondere in der NATO – schlicht um einen Angriffskrieg. Auch in politischen Parteien mit pazifistischer Tradition habe sich die Ansicht verbreitet, dass die Ukraine mit Waffen unterstützt werden müsse, um ihre staatliche Integrität verteidigen und später einen dauerhaften Frieden in Osteuropa erreichen zu können.
Den dritten Platz belegte „Gaspreisbremse“ oder auch Gaspreisdeckel – nur eines der Instrumente, mit denen die Bundesregierung auf die eklatanten Preissteigerungen in vielen Lebensbereichen zu reagieren versuche. Deutschland erlebe derzeit nach verbreiteter Auffassung die schwerste Krise seit 50 Jahren.
Platzierungen 1 bis 10
- Zeitenwende
- Krieg um Frieden
- Gaspreisbremse
- Inflationsschmerz
- Klimakleber
- Doppel-Wumms
- neue Normalität
- 9‑Euro-Ticket
- Glühwein-WM
- Waschlappentipps
Häufigkeit nicht entscheidend
Das Wort des Jahres wurde in diesem Jahr zum 47. Mal bekannt gegeben. Erstmals gekürt wurde es 1971. Seit 1977 wird es jährlich von der GfdS gewählt. Eine Jury bestehend aus dem Hauptvorstand sowie den wissenschaftlichen Mitarbeitern der GfdS sammelt dafür regelmäßig mehrere Tausend Belege aus verschiedenen Medien und Einsendungen von Außenstehenden und wählt kurz vor Jahresende zehn Wörter und Wendungen aus, die das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben des aktuellen Jahres sprachlich in besonderer Weise bestimmt haben. Für die Auswahl ist weniger die Häufigkeit eines Ausdrucks, sondern vielmehr seine Signifikanz und Popularität entscheidend: Auf diese Weise stellen die Wörter eine sprachliche Jahreschronik dar, ihre Auswahl ist dabei jedoch mit keinerlei Wertung oder Empfehlung verbunden.
Wörter der vergangenen Jahre
- 2021 Wellenbrecher
- 2020 Corona-Pandemie
- 2019 Respektrente
- 2018 Heißzeit
- 2017 Jamaika-Aus
- 2016 postfaktisch
- 2015 Flüchtlinge
- 2014 Lichtgrenze
- 2013: GroKo
- 2012: Rettungsroutine
- 2011: Stresstest
- 2010: Wutbürger
- 2009: Abwrackprämie
- 2008: Finanzkrise
- 2007: Klimakatastrophe
- 2006: Fanmeile
- 2005: Bundeskanzlerin
- 2004: Hartz IV
- 2003: Das alte Europa
- 2002: Teuro
- 2001: Der 11. September
- 2000: Schwarzgeldaffäre
- 1999: Millennium
- 1998: Rot-Grün
- 1997: Reformstau
- 1996: Sparpaket
- 1995: Multimedia
- 1994: Superwahljahr
- 1993: Sozialabbau
- 1992: Politikverdrossenheit
- 1991: Besserwessi
- 1990: Die neuen Bundesländer
- 1989: Reisefreiheit
- 1988: Gesundheitsreform
- 1987: Aids, Kondom
- 1986: Tschernobyl
- 1985: Glykol
- 1984: Umweltauto
- 1983: heißer Herbst
- 1982: Ellenbogengesellschaft
- 1981: Nulllösung
- 1980: Rasterfahndung
- 1979: Holocaust
- 1978: konspirative Wohnung
- 1977: Szene
- 1971: aufmüpfig