Heute habe ich erstmals eine Lesung besucht. Christian Berkel stellte seinen neuesten Roman „Sputnik“ vor und stand nach einem anschließenden Gespräch noch für eine Signierstunde zur Verfügung, zu der ich allerdings nicht mehr geblieben war. Die Hauptveranstaltung (Lesung und Gespräch) fand von 19:30 Uhr bis 21 Uhr in der Thalia-Buchhandlung am Markt in Halle (Saale) statt.
Inhalt und Themen des Buches

„Ich schloss die Augen. Minutenlang schlug mein Herz bis zum Hals. Ich lebte in einem Schloss in Frankreich, es gab vorzügliche Speisen, ein Pierrot deckte den Tisch und räumte ihn wieder ab. Ich hatte zwei Brüder gewonnen, dazu sechs Hunde in einem verwilderten Park.“
„Sputnik“ – das Wort stammt aus dem Russischen und bedeutet auf Deutsch: Begleiter – ist der dritte Teil Christian Berkels Familientrilogie, der an die Vorgänger „Der Apfelbaum“ (2018) und „Ada“ (2020) anknüpft. Alle drei Bücher können unabhängig voneinander und in beliebiger Reihenfolge gelesen werden. Christian Berkel, der schon seit Jahren in seiner Familiengeschichte gräbt, umspannt in „Sputnik“ thematisch nicht nur die eigene Familie und persönliche Erlebnisse, sondern auch Deutschlands Nachkriegsgeschichte, Auswirkung von Trauma und Exil, jüdische Herkunft (Mutter) sowie kulturelle Identität.
Christian Berkel beschreibt seine unbeschwerte Jugend in Frankreich – das Land, das für seine jüdische Mutter ein Fluchtort war, denkt über Schuld und Verantwortung nach und erzählt von der Entfremdung innerhalb der Familie – insbesondere zu den Eltern. Zerrissenheit, Aufbruch und Abnabeln sind zentrale Themen – und ganz nebenbei liefert der Autor mit seinem Werk eine Hommage an die Literatur, die Freundschaft und die Liebe.
Autobiografisches und Fiktionales
Der Roman beginnt am 4. Oktober 1957, dem Tag, an dem der Satellit Sputnik gestartet wurde – kurz danach wird der Protagonist (West‑Berlin) geboren und erhält als Spitznamen „Sputnik“. Erzählt wird die Geschichte von Christian Berkels Kindheit und Jugend: Aufwachsen in West‑Berlin, die Beziehung zur Mutter Sala und zum Vater Otto, Kindheitserfahrungen, Auslandsaufenthalte (insbesondere Frankreich), literarische und künstlerische Begegnungen, erste Liebe, und später Rückkehr nach Deutschland in die Theaterwelt der 70er-Jahre. Außerdem geht es um Identität, Aufbruch und „Abnabeln“ – also darum, wer man ist und wer man sein könnte. Der Protagonist ringt mit den Einflüssen von Eltern, Herkunft, Erwartungen, und mit dem, was er selbst will.
„Sputnik“ ist keine reine Autobiografie, aber stark angelehnt an Christian Berkels eigenes Leben, weshalb er sein Buch auch in die Kategorie autofiktional einordnet. Einige Szenen sind tatsächlich wie beschrieben passiert. Eine solche bekannte Anekdote ist diese: Kurz nach seiner Geburt wurde Christian Berkel fast mit einem anderen Baby vertauscht. Diese Begebenheit wird im Buch thematisiert und diente auch als Inspiration für den Titel.

Leser und Kritiker beschreiben das Buch als mitreißend und berührend. Es wird gelobt für Sprache, Bilderreichtum und wie es gelingt, zwischen Realität und literarischer Verfremdung zu schwanken. All das kann ich nach dem Abend nur bestätigen. Mir hat besonders jene Stelle gleich zu Beginn gefallen, in der die Rolle des Protagonisten als Fötus eingenommen und dessen Emotionen und Gedanken aus der Ich-Perspektive im Mutterleib bildhaft umschrieben wurden. Fast hätte man meinen können, auch das beruhe auf eigenen Erinnerungen des Autors – dabei ist ja bekannt, dass die frühesten Erinnerungen, die ein Mensch haben kann, meist aus einem Alter zwischen 2 und 4 Jahren stammen. Unabhängig vom Inhalt war mir aufgefallen, dass sich Christian Berkel in den anderthalb Stunden so gut wie nie verlesen hat. (Umgangssprachliche) Dialoge hat er teilweise so vorgetragen, dass ich mich gefragt habe, wie das wohl im Buch geschrieben stehen mag. Auch wenn die Lesung inhaltlich weniger erfreulich endete, so bleibt mir die Veranstaltung dennoch als insgesamt positiv in Erinnerung.
Über den Autor
Christian Berkel, 1957 in West-Berlin geboren, ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler. Er war an zahlreichen europäischen Filmproduktionen sowie an Hollywood-Blockbustern beteiligt und wurde u. a. mit dem Bambi, der Goldenen Kamera und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Sein Debütroman „Der Apfelbaum“ sowie der Nachfolger „Ada“ wurden von Kritikern und Lesern gleichermaßen gefeiert.