Die Stadtverwaltung der Lutherstadt Wittenberg wird künftig nicht mehr gendern. So hat es der Stadtrat am 13. November mehrheitlich entschieden (zwei Enthaltungen; fünf Abgeordnete stimmten dagegen; 23 stimmten dafür). Vielmehr solle man sich künftig am Rat für deutsche Rechtschreibung orientieren. Diesem Beschluss vorausgegangen war ein Antrag der Fraktion CDU/FDP, der mit dem Satz „Wittenberg respektiert die deutsche Rechtschreibung – keine Gendersprache in der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern.“ überschrieben und in der Debatte heftig diskutiert worden war. Worte wie „Einwohnende“, „Teilnehmende“ oder „Studierende“ sowie Symbole wie das Gendersternchen, Doppelpunkte oder Schrägstriche werden somit künftig nicht mehr in der Kommunikation der Verwaltung zu finden sein. Sogar ihren Internetauftritt wolle die Stadt dahingehend überarbeiten. Begründet wurde das unter anderem damit, dass die Kommunalverwaltung als Teil der öffentlichen Verwaltung an geltendes Recht gebunden sei. „Dazu gehören auch die geltende deutsche Grammatik und Rechtschreibung.“
Pro und Contra – was Politiker sagen
Stefan Kretschmar (Freie Wähler) bezeichnete den Mangel an Regeln als ein Problem in der Akzeptanz des Genderns. Dirk Hoffmann (fup) sprach von einer „Vergewaltigung der deutschen Sprache“. Inhaltlich und politisch argumentierte Sven Paul (SPD), der seine Rede mit „liebe Verwaltungsmitarbeitende“ begonnen und den Antrag der CDU/FDP als „eine Liebeserklärung an die AfD“ bezeichnet hatte. Er argumentierte, die CDU/FDP rede gar nicht von jenen, um die es gehe und für die beispielsweise Gendersternchen eingeführt wurden. Zugleich verwies er auf das Personenstandsgesetz in der Bundesrepublik, welches seit 2018 neben „männlich“ und „weiblich“ auch die Eintragung „divers“ vorsehe. Nico Elsner (CDU) hatte bei der Vorstellung des Antrags betont, dieser sei „nicht ideologiegelenkt“. Er verwies etwa auf blinde Menschen, die sich Texte durch eine Software vorlesen lassen müssen. Dies sei problematisch, wenn das System wegen verwendeter Sonderzeichen nicht alle Wörter erkennen könne. Auch Menschen mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Migrationshintergrund hätten Probleme beim Lesen und Verstehen von gegenderten Texten. „Es geht uns allein um Barrierefreiheit“, so Elsner.
Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) riet zu mehr Gelassenheit und zitierte damit auch den Vorsitzenden des Rats für deutsche Rechtschreibung, Josef Lange. Dieser hatte in einem Interview unter anderem erklärt, das Verbot von Gendern – oder auch nur dessen Ankündigung – grenze an Populismus, sei aber spektakulärer „als, wie wir im Rat das tun, zu differenzieren“. Noch im Stadtrat hatte Zugehör erklärt, man werde den Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung „Schritt für Schritt“ folgen. Allerdings betonte er auch: „Was wir nicht aufhalten können, ist, dass Sprache sich fortentwickelt.“
Gender-Flickenteppich Deutschland
Im Vorfeld der Wittenberger Entscheidung hatte es Gender-Verbotsbeschlüsse bereits in zahlreichen anderen deutschen Städten und Regionen gegeben. In Mitteldeutschland sind das beispielsweise der Saalekreis, der Landkreis Mansfeld-Südharz und die Stadt Halle (Saale). An Schulen in Sachsen-Anhalt etwa ist das Gendern im offiziellen Schriftverkehr und auch im Unterricht seit August 2023 untersagt. Bereits im Juni 2023 hatte sich der Stadtrat im sächsischen Zwickau mehrheitlich gegen das Gendern ausgesprochen.
Die Stadtverwaltung Dessau-Roßlau hingegen gendert weiter. Dort gibt es wie auch in vielen anderen Regionen Deutschlands nach wie vor keinen Beschluss, der den Gebrauch von Sonderzeichen jeglicher Art untersagt; ein Antrag der AfD für ein Gender-Verbot war im November 2023 abgelehnt worden.