Tagesschau und heute-Nachrichten sind Sprachpanscher des Jahres 2020
Der Verein Deutsche Sprache e. V. (VDS) hat am 28. August die Sprachpanscher des Jahres 2020 bekannt gegeben. Mit insgesamt 1996 von 4106 Stimmen und damit 49 Prozent gewonnen haben diesen Negativ-Preis die Nachrichtensendungen „Tagesschau“ und die „heute“-Nachrichten für die Verwendung von Anglizismen und Gendersprache.
Prof. Walter Krämer, Vorsitzender des VDS, zeigte sich vom Ausgang der Wahl nicht überrascht: „Die meisten unserer Mitglieder kritisieren, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ihrem Bildungsauftrag nicht gerecht werden und ihr Publikum stattdessen mit Wörtern konfrontieren, die unnötig sind.“ In Zeiten von Corona haben die Nachrichten-Flaggschiffe Wörter wie „Lockdown“, „Homeschooling“, „Social Distancing“, „Homeoffice“ usw. nicht hinterfragt, sondern einfach übernommen. „Diese Anglizismen zeigen, wie wenig Interesse Tagesschau und heute-Nachrichten haben, die Menschen in ihrer eigenen Muttersprache zu informieren. Die Devise ist: Nachplappern statt sinnvolle Übersetzungen finden, die alle verstehen“, kritisierte Krämer. „Einer Vorbildfunktion mit Bildungsauftrag werden die Öffentlich-Rechtlichen so nicht gerecht.“
Auch die verstärkte Verwendung von Gendersternchen als gesprochene Pause in den Nachrichten würde nicht der Lebensrealität der Zuschauer entsprechen: „ARD und ZDF ignorieren hier bewusst die amtlichen Regeln der deutschen Rechtschreibung, die Empfehlungen der Gesellschaft für deutsche Sprache und der vielen Umfragen, die es zu diesem Thema gibt“, so Krämer. Seiner Auffassung nach sollten Medien Wirklichkeit darstellen und nicht versuchen, sie aus politisch vorauseilendem Gehorsam zu schaffen.
Auf Platz 2 wählten die VDS-Mitglieder Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (873 Stimmen = 21 Prozent) für ihr Bestreben, englische Bezeichnungen im Handwerk einführen zu wollen. Statt Handwerksmeistern solle es „Bachelor Professional“ und „Master Professional“ heißen – was bei den Handwerkern keine Begeisterung hervorrufe, wie Krämer betonte.
Platz 3 ging an den famila-Markt im Oldenburger Stadtteil Wechloy (798 Stimmen = 19 Prozent), der in seiner Werbung versucht hatte, weitgehend auf die deutsche Sprache zu verzichten: „[…] ist dein Place. Für Shopping und much mehr. Von Kids bis Education, von Meetings bis Health, von Entertainment bis Gastro: Alles you need.“
Auf Platz 4 landete die Bundeszentrale für politische Bildung, die 8 Prozent der 321 VDS-Mitgliederstimmen bekam. Einer ihrer Programmschwerpunkte zu den politischen Umbrüchen in Ungarn, Polen, Tschechien und Russland trug den Titel „The Years of Change 1989–1991“. Krämer bemängelte: „Jede dieser Muttersprachen wäre als Titel für einen solch wichtigen Programmschwerpunkt gerechtfertigt, aber Englisch? Damit ignoriert man die Kämpfe, die die Menschen in diesen Ländern ausfechten mussten.“
Platz 5 erreichte der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer. 118 VDS-Mitgliedern (3 Prozent) stieß seine Verwendung von Anglizismen bei einer Kampagne gegen Ratten übel auf. „Don’t feed rats“ hieß sie – warum es Englisch sein musste, hatte sich niemandem erschlossen.
Hintergrund der Aktion
Der Negativ-Preis „Sprachpanscher des Jahres“, ursprünglich „Sprachschuster des Jahres“, wird seit 1997 vom Verein Deutsche Sprache e. V. verliehen und zeichnet Personen oder Institutionen für besondere sprachliche Fehlleistungen aus. Der Verein kritisiert, dass oftmals Anglizismen verwendet werden, obwohl es gebräuchliche deutsche Bezeichnungen dafür gibt.
Sprachpanscher der vergangenen Jahre
- 2019: Hannovers Ex-Oberbürgermeister Stefan Schostok
- 2018: Deutscher Fußballbund
- 2017: Evangelische Kirche Deutschlands
- 2016: ZDF
- 2015: Prof. Dr. Wolfgang A. Herrmann
- 2014: Ursula von der Leyen
- 2013: Duden
- 2012: Andrew Jennings
- 2011: René Obermann
- 2010: Fritz Pleitgen
- 2009: Deutscher Turner-Bund
- 2008: Klaus Wowereit
- 2007: Hartmut Mehdorn
- 2006: Günther Oettinger
- 2005: Prof. Dr. Herbert Beck
- 2004: Markus Schächter
- 2003: Dr. Gerhard Mayer-Vorfelder
- 2002: Dr. Klaus Zumwinkel
- 2001: Wolfgang H. Zocher
- 2000: Prof. Dr. jur. Andreas Heldrich
- 1999: Dr. Johannes Ludewig
- 1998: Ron Sommer
- 1997: Jil Sander*
* Im ersten Jahr hieß die Aktion noch „Sprachschuster des Jahres“; Anmerkung Auf Punkt und Komma.